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Beispiel Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH und Vorteile Querverbund

 

Mein Weg in die Energieversorgung und der Umbau der Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH

 

Nach dem Studium der elektrischen Energietechnik war ich auf zwei Stationen in der Industrie und etwa 10 Jahre in einer großen Klinik mit etwa 110 Gebäuden und rd. 4000 Arbeitnehmern als Betriebsingenieur beschäftigt. Dort hatten wir eine interessante Energieversorgung mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) durch 2 Dampfturbinen. Unsere Vorstellungen die Dampfturbinen durch ein Blockheizkraftwerk zu erweitern und damit die Klinik zu 100% mit Strom und Wärme zu versorgen und das öffentliche Stromnetz als Ersatzstromlieferant zu nutzen, stieß auf den erbitterten Widerstand der großen RWE AG. Wir haben das Projekt realisiert, aber das aufgebaute Spannungsfeld bei diesem energiewirtschaftlichen Projekt haben mich veranlasst, eine Geschäftsführerposition bei einem deutschen Stadtwerkeunternehmen anzustreben.

Am 1.4. 1990 begann ich als Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH. Das Unternehmen war als sogenanntes Querverbundunternehmen mit den Sparten Strom, Gas, Fernwärme, Wasser und Bäder aufgebaut und hatte eine Tochtergesellschaft zum Betrieb von sechs Wasserkraftanlagen an dem Kocher, einem Fluss der durch Schwäbisch Hall fließt. Insgesamt waren in diesem Unternehmen etwa 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Das Unternehmen gehörte zu 100% der Stadt Schwäbisch Hall und der Aufsichtsrat war durch Gemeinderatsmitglieder der Stadt Schwäbisch Hall besetzt. Der Aufsichtsratsvorsitzende war der Oberbürgermeister der Stadt Schwäbisch Hall.

Mir gefiel diese Konstellation sehr gut, weil einerseits durch den Querverbund viele Synergien geschöpft werden können und in einer Stadt mit etwa 37000 Einwohnern viele Möglichkeiten bestanden, über die reine Energie- und Wasserversorgung hinaus viele energienahe Dienstleistungen anbieten zu können.

Im Grunde war die gesamt deutsche Energieversorgungswirtschaft durch kleine kommunale Unternehmen entstanden, oder durch Regionalunternehmen, an denen die Kommunen beteiligt waren. Wie bereits dargestellt wurde, hatte in der Bundesrepublik eine starke Unternehmenskonzentration im Energiesektor stattgefunden und viele Unternehmensberater empfahlen den Städten und Gemeinde in Deutschland ihre Stadtwerke zu verkaufen. Es wurde die Perspektive aufgemacht, dass von mehr als 1000 Stadtwerke nur etwa 50 leistungsfähige und große Stadtwerke den Konzentrationsprozess überleben werden. Selbst Bundeskanzler Gerhard Schröder, der 1998 zum Bundeskanzler gewählt wurde, empfahl den Kommunen, ihre Stadtwerke zu verkaufen, weil auf europäischer Ebene nur etwa 4 bis 6 große Konzern überleben würden.

Diesen Empfehlungen habe ich öffentlich massiv widersprochen und den Protagonisten den Vorwurf gemacht, von dem zunehmend dezentralen Geschäften in einer dezentralen Energieversorgung wenig bzw. nichts zu verstehen.

Ein wesentlicher Treiber für eine Stadt bzw. für ein Stadtwerk ist der sogenannte steuerliche Querverbund, der es gestattet, Gewinne in der Energie- und Wasserversorgung steuerwirksam zu verrechnen mit typischen kommunalen Verlusten, die z.B. im ÖPNV und bei kommunalen Bädern entstehen.

Die Strategie, die wir verfolgt haben, lässt sich kurz wie folgt darstellen:

  1. Expansion in der regionalen Umgebung durch Übernahme von Konzessionen in der Energie- und Wasserversorgung umliegender Gemeinden.
  2. Konsequente Ausdehnung des begonnenen Ausbaus der Fernwärme und der Kraft-Wärme-Kopplung.
  3. Virtuelle Kraftwerke und spartenübergreifende Energiekosten-Optimierung (SEKOS).
  4. Aufbau einer Abteilung für Energie-Contracting, um die Wertschöpfungskette im energienahen Bereich zu erweitern.
  5. Mit Beginn der Liberalisierung der Strommärkte wurde eine Abrechnungssoftware entwickelt, die bundesweit angeboten wurde. Erster Kunde war Greenpeace Energy e.V., die Ökostrom verkaufen wollten und dafür einen Dienstleister benötigten.
  6. Bundesweite Bewerbungen um Beteiligungen bzw. Neugründungen von Stadtwerken, um das entwickelte Know-How auch bundesweit anbieten zu können.
  7. Ausbau der Erneuerbaren Energien, um die Stadt Schwäbisch Hall bis zum Jahr 2030 vollständig klimaneutral zu machen.
  8. Optimierung des Querverbundes durch Übernahme aller Parkhäuser der Stadt Schwäbisch Hall.
  9. Umbau des Schwimmbades zu einem Freizeitbad und Integration in den Querverbund.
  10. Gründung von mehr als 40 Beteiligungsunternehmen in der Bundesrepublik und Europa, um die vorgenannten Ziele erreichen zu können.

Stadtwerke Schwäbisch Hall und deren Beteiligungen im Bereich Energie

Die Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH ist ein rein kommunales Unternehmen der Stadt Schwäbisch Hall. Die Stadt hat etwa 40000 Einwohner und die 100%-Beteiligung an den Stadtwerken, mit rd. 257 Mio. Euro Umsatz im Jahr 2019 und etwa 550 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die Stadt.

Die starke Expansion der Stadtwerke mit bundesweiter Ausdehnung produziert mittlerweile mehr als 100% Erneuerbaren Strom für die gesamte Stadt.

In der nachfolgenden Grafik ist nur ein Teil der bundesweiten Aktivitäten abgebildet. Hier werden insbesondere die Beteiligungen an anderen Stadtwerken gezeigt, die oft im Wege der Neugründung mit Hilfe der Stadtwerke Schwäbisch Hall entstanden sind. Bei den dargestellten Kooperationsunternehmen waren die Stadtwerke oft auch Gründungsmitglied.

Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) und der Ausbau der Erneuerbaren Energien war sowohl bei den Stadtwerkebeteiligungen als auch bei den Kooperationen immer fester Unternehmensbestandteil.

Beteiligungen der Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH im Bereich der erneuerbaren Energien

Ein Schwerpunkt der Strategie der Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH war bereits seit den 90er Jahren der vollständige Umbau der örtlichen Energieversorgung auf erneuerbare Energien. Im Bereich der Stromversorgung ist dies bereits bis zum Jahr 2020 gelungen und im Bereich der Wärmeversorgung wird dies für das Jahr 2030 angestrebt.

Da die örtlichen Verhältnisse oft den Ausbau der erneuerbaren Energien, insbesondere im Bereich der Windenergie und der Photovoltaik nicht zulassen, haben die Stadtwerke selbst und auch im Wege der Kooperation viele Projekte realisiert, von denen einige in eigenen Gesellschaften gemäß der nachfolgenden Grafik umgesetzt wurden.

Dabei wurden auch Projekte im europäischen Ausland wie Italien und Griechenland im Bereich der Photovoltaik realisiert, weil hier gegenüber gleichen Anlagen am Standort Schwäbisch Hall bis zu 50% höhere Stromerträge möglich sind.

Beteiligungen der Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH im Bereich der Dienstleistungen

 

Moderne Stadtwerke sind nicht nur Energie- und Wasserversorger, sondern oft auch Dienstleister für andere Stadtwerke und insgesamt auch Infrastruktur-dienstleister ihrer Gesellschafter.

Aus der nachfolgenden Grafik der Beteiligungen im Bereich der Dienstleistungen wird deutlich, welchen Umfang und welche Spezifikationen realisiert wurden. Die wesentlichen Entwicklungen und Beteiligungen wurden umgesetzt.

  • Gemeinsame Energiebeschaffung und Strom- und Gashandel mit anderen Stadtwerken.
  • Gemeinsame Contractingprojekte mit mehreren Gesellschaftern.
  • Gemeinsame IT-Entwicklungen und Softwareentwicklungen für den liberalisierten Strom- und Gasmarkt.
  • Gemeinsamer Bau einer Solarfabrik als Teil einer infrastrukturellen Entwicklung.
  • Beteiligung an einem Softwareunternehmen, um übergreifende Zugangssysteme für Bäder, Parkierung und ÖPNV zu realisieren.
  • Kooperationsunternehmen, um Bäder und Saunaanlagen im Bereich des Hotelgewerbes zu realisieren.

 

Dieses Portfolio im Bereich der Dienstleistungen beschäftigt mehrere hundert Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen und trägt erheblich zu den positiven Jahresergebnissen der Stadtwerke Schwäbisch Hall GmbH bei.

Stadtwerke im Querverbund

In der Bundesrepublik gibt es etwa 1400 Stadtwerke-Unternehmen. Organisiert sind viele als Spartenunternehmen mit den hauptsächlichen Bereichen in Netzen von Strom, Gas, Fernwärme und Wasser sowie mit Vertrieben von Energie und Wasser, aber auch komplexe Produkte wie z.B. im Bereich Energiedienstleistungen und Contracting.

Die großen Vorteile und Synergiepotentiale liegen in:

  • Angebote von mannigfaltigen Produkten an Bürgern im regionalen Umfeld im Bereich Energie, Wasser und Telekommunikation.
  • Skaleneffekte durch den gemeinsamen Betrieb von Energie-, Wasser- und Telekommunikationsnetzen.
  • Skaleneffekte durch Spezialkräfte im Bereich von IT, Elektronik und Verfahrenstechnik
  • Gemeinsame Finanz- und Personalabteilung für alle Bereiche
  • Realisierung des steuerlichen Querverbundes (siehe auch eigene Darstellung auf gesonderter Seite).

Kommunaler steuerlicher Querverbund

 

Der steuerliche Querverbund ist eine wichtige Säule der Finanzierung kommunaler Leistungen. Er ermöglicht es, dauerdefizitäre Leistungen der Daseinsvorsorge z.B. ÖPNV und Bäder durch eine steuerliche Ergebnisverrechnung mit Gewinnen z.B. aus der Energie- und Wasserversorgung zu finanzieren. Wegen der Bedeutung der Daseinsvorsorge verankerte der Gesetzgeber den steuerlichen Querverbund im Körperschaftssteuergesetz (KStG). In § 8 Abs. 7 KStG wurde eine Regelung geschaffen, die für bestimmte dauerdefizitäre Tätigkeiten anordnet, dass die negativen Folgen der verdeckten Gewinnausschüttung nicht eintreten.

Nun hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einen Vorlagebeschluss an den EUGH Zweifel angemeldet, ob die bestehende Praxis mit dem EU-Beihilferecht vereinbar sei. Falls der EUGH den kommunalen Querverbund für unzulässig erklärt, wäre nicht nur mit erheblichen Steuernachzahlungen der Stadtwerke zu rechnen, sondern z.B. auch mit der flächendeckenden Schließung von kommunalen Bädern und der Einschränkung des ÖPNV.

In Zeiten der Energie- und Mobilitätswende wäre dies eine fatale Entwicklung, wenn gerade die Stadtwerke ihre vorbildliche Arbeit bei der Bewältigung der Klimakrise aus diesem Grund reduzieren müssten.

Solar Invest AG als Projekt zur Beteiligung von Bürgern

 

Von der Politik oft gefordert und in vielen Projekten umgesetzt ist die Beteiligung von Bürgern an Projekten zur Erzeugung Erneuerbarer Energieträger, wie z.B. Beteiligungen an großen Photovoltaikanlagen oder an Windparks.

Die Beteiligungsformen reichen von Genossenschaften über GmbH & Co. KG bis zu Aktiengesellschaften (AG).

Nachfolgend wird ein Projekt aus Schwäbisch Hall vorgestellt, bei der als Gesellschaftsform die AG gewählt wurde. Die nicht börsennotierte AG ist ein einfaches und unbürokratisches System, um Bürger an diesen Anlagen zu beteiligen. Wie bei anderen Beteiligungsformen kann allerdings der Verkauf von Anteilen schwierig werden, wenn keine Käufer zur Verfügung stehen. Wenn Probleme auftreten, z.B. wie bei der Solar Invest AG geschehen, dass Länder wie Italien oder auch Spanien plötzlich ihre Einspeisevergütungen für Erneuerbaren Strom einschränken oder nicht mehr gewähren, wird der Druck groß, dass z.B. beteiligte Stadtwerke dann die Anteile der Bürger übernehmen. Wo derartige Garantien von Stadtwerken eingeschränkt werden, sinkt das Interesse von beteiligten Bürgern.