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Der Weg zum klimaneutralen Deutschland

 

Die Definition von Primärenergie und die Entwicklung der Primärenergie des Jahres 2019 bis zum Jahr 2050.

 

Die ursprünglich vorkommenden Energieformen und Energiequellen wie Mineralöl, Erdgas oder Kohle bezeichnet man als Primärenergie, aber auch Erneuerbare Energien wie z.B. Stromerzeugung aus Sonne und Wind. Erst durch die Umwandlung von Primärenergie durch einen mit Verlusten behafteten Umwandlungsprozess entsteht nutzbare Endenergie.

Per internationaler Definition wird bei Erneuerbaren Energien, wie z.B. Wasserkraft, Windenergie und Photovoltaik ein Umwandlungswirkungsgrad von 100% angenommen und somit die Endenergie gleich der Primärenergie gesetzt.

Zur Umrechnung von Endenergie in Primärenergie werden für alle Energieträger Primärenergiefaktoren (PEF) verwendet, die in der nachfolgenden Grafik abgebildet sind. Die Fortschreibung der PEF erfolgt auf politischer Ebene. Auf nationaler wie auf EU-Ebene gibt es Bestrebungen unterschiedlicher Akteure, die PEF anzupassen.

Die Zusammenhänge stellen sich wie folgt dar:

Primärenergie = Endenergie x Primärenergiefaktor (fp)

Endenergie = Nutzenergie + Anlagenverluste

Im Jahr 2019 wurde folgende Primärenergie in Deutschland festgestellt:

 

Primärenergie 2019

TWh
Mineralöl 1253
Erdgas 893
Steinkohle 304
Braunkohle 322
Kernenergie 227
Erneuerbare Energien 529
Stromaustauschsaldo -35
Sonstige 62
3555

Man sieht an der Grafik, dass im Jahr 2019 die Primärenergie noch vorrangig von den fossilen Energieträgern Kohle, Mineralöl und Erdgas bereitgestellt wurde und die Erneuerbaren Energien nur einen geringen Teil ausmachten.

Nach den Beschlüssen des Pariser Klimaschutzabkommen müssten wir im Jahr 2045 weitgehend klimaneutral sein. Auf Grund der gewaltigen Anforderungen und der komplexen Umsetzung einschließlich großer Finanzierungsanforderungen dürfte es auch bis zum Jahr 2045 dauern, bis das Ziel erreicht wird.

Für das Jahr 2042 bzw. maximal im Jahr 2050 dürfte sich etwa folgender Primärenergiebedarf ergeben:

 

Primärenergie 2042

TWh
Erneuerbare Stromerzeugung, einschl. KWK 1020
Importierter grüner Wasserstoff 310
Grünes Methan inc. Import 243
Erneuerbare Wärme 130
Erneuerbare Stromwärme 10
Wärme aus Biomasse und Abfall 118
Stromaustauschsaldo 10
1841

Im Vergleich der beiden Grafiken wird zunächst deutlich, dass der Primärenergiebedarf im Jahr 2045 bzw. im Jahr 2042 durch den weitgehenden Wegfall der Umwandlungsverluste in der thermischen Stromerzeugung von insbesondere Kohle und Kernkraft entsteht, aber auch durch Erneuerbare Strom- und Wärmeerzeugung sich fast eine Halbierung des Bedarfes sich ergibt.

Damit verbunden wäre dann nur noch THG-Emissionen von ca. 40 Mio. t CO2/a und damit gegenüber heute von ca. 800 Mio. t/a nur noch 5%.

Primärenergiefaktoren fp nach DIN V 18599

Energieträger

 

Primärenergiefaktor

Primärenergiefaktor

 

 

Insgesamt

nicht erneuer-

 

 

 

barer Anteil

Fossile Brennstoffe

Heizöl EL

1,1

1,1

 

Erdgas H

1,1

1,1

 

Flüssiggas

1,1

1,1

 

Steinkohle

1,1

1,1

 

Braunkohle

1,2

1,2

 

 

 

 

Biogene Brennstoffe

Biogas

1,5

0,5

 

Bioöl

1,5

0,5

 

Holz

1,2

0,2

 

 

 

 

Fernwärme aus KWK

fossiler Brennstoff

0,7

0,7

 

erneuerbarer Brennstoff

0,7

0,0

 

 

 

 

Fernwärme aus Heizwerken

fossiler Brennstoff

1,3

1,3

 

erneuerbarer Brennstoff

1,3

0,1

 

 

 

 

Strom

allgemeiner Strommix

2,8

1,8

 

Verdränungsstrommix

2,8

1,8

 

Erneuerbarer Strom

1,0

0,0

 

 

 

 

Umweltenergie

Solarenergie

1,0

0,0

 

Erdwärme, Geothermie

1,0

0,0

 

Umgebungswärme

1,0

0,0

 

Umgebungskälte

1,0

0,0

Erneuerbarer Strom in Deutschland von 2000 bis 2020 und notwendige Entwicklungen bis zum Jahr 2042

 

Die Produktionszahlen für die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien der Jahre 2000 bis 2020 in Deutschland stammen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die nachfolgende Perspektive bzw. Hochrechnung sind realistische Annahmen, wenn tatsächlich etwas bewegt werden soll.

  1. Wasserkraft

Die Wasserkraft hat in Deutschland vor einigen Jahren noch bis 25 TWh Strom produziert, während es im Jahr 2018 nur noch 18,6 TWh waren. Auf Grund der hohen Genehmigungsauflagen und Genehmigungsverfahren, die länger als 10 Jahre dauern, wurde unterstellt, dass sich die Wasserkraft in den nächsten 20 Jahren kaum weiterentwickelt werden kann und deshalb wurde konstant bis zum Jahr 2042 ein jährlicher Wert 20 TWh angenommen.

  1. Windenergie an Land (Wind onshore)

In Deutschland hat die Windenergie an Land das größte Potential, wenn der Gesetzgeber jetzt endlich Rahmenbedingungen setzt, die zunächst bundesweit die Flächenpotentiale ausweisen und die Genehmigungsverfahren vereinheitlichen und verkürzen. Auch nach Ansicht des Natur- und Landschaftsschutzes sind 3,6% der Bundesfläche für die Windenergienutzung geeignet. Aus der Reihe „Zur Debatte“ veröffentlichte Thesen aus laufenden Forschungsvorhaben des Bundesamtes für Naturschutz sind 82% der Flächen Deutschlands als Ausschlussfläche eingestuft worden, während 12% der Flächen ein hohes Risiko von Konflikten mit Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege haben, obwohl auch hier eine Genehmigungsfähigkeit nicht völlig ausgeschlossen wird.

Die größten Ausschlussflächen werden in Süddeutschland definiert, weil hier angeblich die Windhöffigkeit in vielen Bereichen unter 7 m/s liegen. Dies ist aber vom Bundesamt für Naturschutz nicht zu Ende gedacht, weil dieser Strom in Süddeutschland direkt eingesetzt werden könnte und nicht aus dem Norden von Deutschland transportiert werden müsste. Bereits seit einigen Jahren wird von den Südländern bei den Ausschreibungen für neue Windenergieanlagen ein eigenes Segment gefordert, ausschließlich für den Süden von Deutschland.

Auf Grund der möglichen Rahmenbedingungen müsste ein Zubau in Deutschland in den nächsten 20 Jahren von 7500 MW/a bzw. bei 2000 Volllastsunden 15 TWh/a möglich sein. Die bedeutet jährlich 2500 Windkraftanlagen je 3 MW bzw. pro Flächenland rd. 200 neue Anlagen im Jahr.

  1. Windenergie auf See (Wind offshore)

Bei der Windenergie auf See wird es zunächst entscheidend darauf ankommen, wie der Gesetzgeber entsprechende Flächen im Meer ausweist und wie die Übertragungsnetzbetreiber die notwendigen Anschlüsse für diese Anlagen realisieren. Falls die Windindustrie bzw. die Investoren und Anlagenbauer Planungssicherheit haben, ist ein Ausbau von Wind offshore von im Jahr 2020 mit rd. 27 TWh auf maximal 130 TWh Stromerzeugung im Jahr 2042 möglich.

  1. Photovoltaik

Bei der Photovoltaik bestehen im Grunde die geringsten Genehmigungsauflagen. Der limitierende Faktor dürfte eher im Anschluss der vielen Solarparks an die Nieder- und Mittelspannungsnetze der Verteilnetzbetreiber liegen. Insbesondere Länder und Kommunen sollten verpflichtet werden quasi proaktiv für Investoren entsprechende Flächen auszuweisen. Es dürfte kaum unüberwindliche Probleme geben, um die Stromerzeugung aus Photovoltaik von im Jahr 2020 mit rd. 50 TWh auf etwa 330 TWh im Jahr 2042 zu steigern.

  1. Weitere Stromerzeugung mit erneuerbaren Energien

Viele weitere Möglichkeiten der erneuerbaren Stromerzeugung sind begrenzt und deren Beitrag kann der nachfolgenden Grafik entnommen werden.

  1. Verhältnis von Windstrom zu Photovoltaik

Aus Gründen der Lastverteilung von viel Windstrom im Winter bei wenig Stromerzeugung aus Photovoltaik und der tendenziellen schwachen Windstromerzeugung im Sommer sollte tendenziell die Photovoltaik in Deutschland noch stärker ausgebaut werden, als bereits vorgeschlagen wurde. Auf keinen Fall sollte das Verhältnis weiter zu Lasten von Photovoltaikstrom zunehmen. Die Bundesnetzagentur kann über die Ausschreibungsmengen dieses Verhältnis effektiv steuern.

Insgesamt wäre dies eine hoch ambitionierte Perspektive, aber damit wäre die vollständige Stromerzeugung in Deutschland bis zum Jahr 2042 in etwa machbar.

Quelle: Zahlen bis 2020 vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie

Weltweite Investitionen in die Energiewende in Mrd. Dollar

2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020
Renewable energy 33 59 89 118 150 143 204 257 229 200 255 285 251 265 236 240 255
Electrified heat 0 2 20 25 32 30 31 33 34 40 42 45 47 67 70 75 85
Electrified transport 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 80 102 132 140 156
Hydrogen, CCS, Energy storage 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 4 5
Gesamt 33 61 109 143 182 173 235 290 263 240 297 330 378 434 441 459 501

Bruttoinlandsprodukt in Deutschland und Investitionen in die Energiewende.

 

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Deutschland betrug im Jahr 2019 noch 3449 Mrd. € und im Jahr 2020 bedingt durch die Pandemie nur 3329 Mrd. €. Das BIP umfasst alle Güter, Waren und Dienstleistungen die innerhalb der Landesgrenzen einer Volkswirtschaft hergestellt wurden.

In der nachfolgenden Grafik ist das tatsächliche BIP der Jahre 1950 bis 2020 dargestellt und eine Perspektive des BIP (Steigerungen von 2,5%/a wurden unterstellt) bis zum Jahr 2050.

Das weltweite BIP lag im Jahr 2017 bei 87552 Mrd. US-$ und Deutschland belegte in diesem Jahr mit 3861 Mrd. US-$ den vierten Rang hinter USA, China und Japan. Beim BIP des Jahres 2019 lag Deutschland mit 56200 US-$ hinter den USA mit 65300 US-$ auf Rang 2.

Als eine der größten Volkswirtschaften der Welt und mit über 11 Mio. Arbeitsplätze direkt und indirekt im Export hat Deutschland eine besondere Verantwortung für neue und innovative Investitionen in die Transformation in der Energiewirtschaft.

Nach Bloomberg New Energy Finance (BNEF) haben die weltweiten Investitionen in die Dekarbonisierung des Energiesystems im Jahr 2020 ein Volumen von über 500 Mrd. US-$ erreicht. Nach Ansicht von BNEF werden sich diese Investitionen in den nächsten Jahren verdoppeln.

Auch in Deutschland werden diese Investitionen stark ansteigen und etwa einen Betrag von 3% am BIP erreichen. Damit werden gemäß der Prognose im Jahr 2022 die Investitionen bei 109 Mrd. € und bereits im Jahr 2032 bei 139 Mrd. € liegen mit entsprechend weiteren Anstiegen in den Folgejahren.

Damit ist absehbar, dass in den nächsten 20 Jahren etwa 2,5 Billionen Euro in die Transformation der Energiewirtschaft in Deutschland fließen werden. Mit diesem Investitionsvolumen dürfte dann eine vollständige, klimaneutrale Energiewirtschaft in Deutschland möglich sein.

In Anbetracht der drohenden weltweiten Klimakatastrophe dürfte dieser überschaubare volkswirtschaftliche Einsatz mehr als gerechtfertigt sein.

Stand der Energieversorgung im Jahr 2042 in Deutschland

 

Die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommen bzw. das 2-Grad-Ziel werden wir nur erreichen, wenn wir uns in den nächsten 20 Jahren radikal von den fossilen Primärenergien verabschieden und fast vollständig erneuerbare Energien zum Einsatz bringen.

In den nachfolgenden Grafiken wird von einem sehr ambitionierten Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung, dem Speicherausbau und der Wasserstoffgewinnung in Deutschland ausgegangen. Dies wird nur gelingen, wenn die Genehmigungsverfahren radikal umgestellt werden. Ministerpräsident Kretschmann aus Baden-Württemberg sagte im Mai 2021 zu Recht, dass es nicht sein könne, dass der rote Milan darüber entscheidet, ob wir den Vertrag von Paris erfüllen können.

Es wird notwendig sein, dass Bund, Länder und Kommunen proaktiv für Investoren Standorte für die erneuerbare Stromerzeugung und den Speicherausbau anbieten und die Genehmigungsverfahren beschleunigen und sicherstellen, dass nur eine Gerichtsinstanz möglich ist.

Ein ganz wesentliches Element, um eine kostengünstige Energiewende zu erreichen ist der Erhalt des bestehenden Erdgasnetzes mit den Möglichkeiten, sukzessiv grünes Erdgas oder grünen Wasserstoff in diese Netze einzuspeisen, um insbesondere die effektiven Erdgasspeicher im Rahmen einer kostengünstigen Speicher-Strategie nutzen zu können.

Den Ausbau der Elektrolyse, um grünen Wasserstoff zu gewinnen, wird entscheidend davon abhängen, in welchem Umfang wir in Deutschland die Erneuerbaren Energien fördern und ausbauen können. Grüner Wasserstoff aus dem Ausland wird nur eine ergänzende Rolle spielen, weil zwar Vorteile bei der Produktion bestehen, aber der Transport über Schiffe und Pipeline werden diese Vorteile überwiegend aufheben dürften..

In der nachfolgenden Grafik sind erhebliche Mengen an grünen Wasserstoff und Grünes Erdgas vorgesehen. Es wird von den politischen Rahmenbedingungen abhängen, welche Schwerpunkte gesetzt werden. Da diese beiden grünen Gase zum Teil austauschbar sind, müssen sie in einem Zusammenhang gesehen werden.

Wie in vielen Beispielen gezeigt wurde, ist die klimaneutrale Umsetzung der Energieversorgung in Deutschland zwar möglich, aber entscheidend sind neben den hohen Investitionen die internationalen Abstimmungen über dann klimaneutrale Produkte, die sich vom heutigen Preisniveau deutlich unterscheiden werden. Die Europäische Union wird in Abstimmung insbesondere mit China und Amerika sicherstellen müssen, dass nicht klimaneutrale Produkte dann mit entsprechenden Klimazöllen beaufschlagt werden.

Abschließende Empfehlungen für eine klimaneutrale Energiewirtschaft im Jahr 2042

 

Wir haben in unseren Abhandlungen Denkanstöße geliefert und einen Überblick über die derzeitige und zukünftige Energieversorgung gegeben und aufgezeigt, wie wir einen Umbau auf eine weitgehend immissionsfreie Energieversorgung realisieren könnten.

In unseren Abhandlungen und Vorschlägen haben wir uns von jahrelangen praktischen Erfahrungen in der Energiewirtschaft leiten lassen und wollen abschließende Vorschläge unterbreiten, die auch die Problematik von vorhersehbaren Strukturbrüchen und technischer Machbarkeit sowie politischer Umsetzbarkeit berücksichtigen. Es ist nicht damit getan, z.B. die Produktion von erneuerbaren Energien wie Solar und Wind zu prognostizieren, sondern man sollte auch konkret sagen, wie das gehen soll. Einseitige Proklamierungen, wie z.B. dass ab einem bestimmten Jahr die Erdgasnetze stillgelegt werden oder Verbrenner nicht mehr produziert werden dürfen, sind politische Effekthaschereien die oft große Defizite für die praktische Umsetzung zeigen.

Grundsätzlich sind wir der Auffassung, dass wir in den Jahren bis 2050 markwirtschaftlich vorgehen, auch wenn natürlich der Gesetzgeber die notwendigen Leitplanken einziehen muss und infrastrukturell Vorgaben erforderlich werden.

  1. Ausbau der erneuerbaren Energien

Wir sollten starke Anreize setzen, um Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien in den nächsten 20 Jahren mindestens zu verdreifachen. Dabei ist darauf achten, dass kein einseitiger Ausbau der Windenergie oder der Photovoltaik erfolgt, weil gerade das Dargebot von Strom aus Sonne und Wind sich ergänzen müssen, damit die sich schon abzeichnenden Probleme durch die Fluktuation sich nicht noch vergrößern. Für Probleme der sehr langwierigen und nicht zu kalkulierenden Genehmigungsverfahren, die in der Regel 4-8 Jahren beanspruchen, müssten vereinfachte Verfahren entwickelt werden. Länder und Kommunen sollten verpflichtet werden, nicht nur konkrete Standort vorzugeben, sondern dass auch durch die Gesetzgebung ein maßgeblicher Einfluss auf die Genehmigungen vorgenommen wird. Widersprüche dagegen sollten in einem verkürzten Verfahren möglich sein und bei Gerichtsverfahren sollten Streitfragen in einem kurzen Instanzenweg geklärt werden.

Wir haben dargestellt welche Solarstrompotentiale auf Deutschlands Dächern noch vorhanden sind und bei der Windenergie sollten wir z.B. die alten Vorschläge von Hermann Scheer aufgreifen, entlang von Autobahnen und konkret am Beispiel der BAB 7 von Flensburg bis Füssen, tausende von Windkraftanlagen zu errichten.

Beim Ausbau der Offshore-Windenergie sind die Vorschläge einer 750-KV-Strom-Transversale auf der Basis von Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung (HGÜ) von Portugal bis Norwegen wieder zu aktivieren. An dieser Strecke könnten Tausende von Offshore-Windkraftanlagen eingebunden werden und zusätzlich der Austausch von Überschussstrom im Europäischen UCTE Netz optimiert werden.

Auf Grund der dargestellten gewaltigen erneuerbaren Strompotentiale in Deutschland und Europa könnten Wasserstoff-Importe aus Ländern außerhalb der EU überflüssig werden. Bei einer Wasserstoffproduktion in Europa ist eine erhebliche zusätzliche Wertschöpfung möglich, die auch viele neue Arbeitsplätze schaffen wird.

  1. Wasserstoff

Wasserstoff ist der geborene Energieträger um die Brücke zwischen fossilen Energien und erneuerbaren Energien herzustellen. Auch hier sollten einige praxisorientierte Grundsätze wie folgt berücksichtigt werden:

  • Transport von Wasserstoff

Grüner Wasserstoff wird in der Regel durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom hergestellt. Für einen Transport per Schiff, nach vorheriger Verflüssigung werden etwa 30% des Energieinhaltes dieses zu transportierenden Wasserstoffes für die Verflüssigung und den Transport benötigt. Eine gute Alternative ist der Transport von Wasserstoff, der in den südeuropäischen Ländern wie Portugal, Spanien, Italien und Griechenland erzeugt wurde und per Pipeline über das Festland nach Mitteleuropa zu bringen. Dieser Transport ist auch per Pipeline über entsprechende Seeverbindungen möglich.

  • Verteilung von Wasserstoff

Die Forderungen, dass für Wasserstoff völlig neue Verteilsysteme aufgebaut werden müssen, ist sicher so nicht haltbar. Bezogen auf Deutschland würden hier Investitionen von mehr als 6 Mrd. Euro anfallen. Auch wenn einige Gasnetzabschnitte wegen der Problematik der „Wasserstoffversprödung“ saniert oder ausgetauscht werden müssen, ist das bestehende Erdgasnetz für den Transport von Wasserstoff gut geeignet.

Warum z.B. die Denkfabrik „Agora Energiewende“ in ihrem Gutachten vom April 2021 zu dem Ergebnis kommt, dass bestehende Erdgasnetze in Deutschland stillgelegt würden, weil fast sämtliche Wohnungen in Deutschland auf elektrisch betriebene Wärmepumpen umgerüstet werden, bleibt unerklärlich. Natürlich wird es so sein, dass durch Zumischung von erneuerbarem Wasserstoff in Erdgasnetze sukzessive diese Netze klimaneutral werden und damit dann natürlich auch klimaneutral z.B. Immobilien versorgt werden können. Das schließt natürlich nicht aus, dass vorweg auch einige Hochdruck-Wasserstoffnetze z.B. für die chemische Industrie und für die Produktion von z.B. grünem Stahl zur Verfügung gestellt werden.

  • Produktion von Wasserstoff

Wenn Wasserstoff schon hauptsächlich durch erneuerbarem Strom produziert wird, sollte darauf geachtet werden, dass gleichermaßen Solar- und Windstrom dafür verwendet wird, um Flexibilisierungsoptionen zu erhalten. Es ist durchaus vorstellbar, dass insbesondere im Bereich Offshore Windenergieanlagen kein Strom, sondern direkt Wasserstoff produziert wird. Bei der Volatilität einer 100prozentigen Stromerzeugung aus Sonne und Wind müssen alle Optionen, wie in der Grafik „Sektorübergreifende Energiespeicher“ aufgeführten Möglichkeiten genutzt werden, um auch stets eine gesicherte Stromversorgung in Europa sicherstellen zu können.

  1. Wärmeversorgung und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)

Die oft geäußerten Vorstellungen, dass wir bis zu Jahr 2045 mehr als 20 Mio. neue dezentrale Wärmepumpenheizungen im Bereich der Immobilien bekommen, darf zumindest bezweifelt werden. Einerseits muss berücksichtigt werden, dass Wärmepumpen für Niedertemperatursysteme prädestiniert sind, und gerade der große Altbaubereich nicht auf Niedertemperatur ausgelegt ist, so dass dort auch die kompletten Heizungssysteme ausgetauscht werden müssten. Andererseits wäre dann die große Zahl der dann sehr unflexiblen Stromheizungen ein Widerspruch zu der geforderten Flexibilisierung im Strombereich. Besser wäre, im Neubaubereich Wärmepumpen oder Brennstoffzellen einzusetzen und im Altbau mit erneuerbarem Wasserstoff oder erneuerbarem Methan zu arbeiten.

Insbesondere in Städten über 20000 Einwohner sollten die Kommunen Einfluss nehmen und im Rahmen von Quartierskonzepten grünen Strom und erneuerbare Wärme über KWK bereitstellen. In Zusammenhang mit Speicherkonzepten und der Einkopplung von Solar- und Industriewärme „wie mehrfach dargestellt wurde“ sind wesentlich bessere und flexiblere Versorgungskonzepte machbar.

  1. Verkehr

Beim Personenverkehr bleibt die Verkehrsleistung von Automobil und Schienenverkehr bis zu Jahr 2050 in etwa gleich, während der Radverkehr starke Zuwächse verzeichnen wird.

Die Diskussionen über ein Verbot zur Produktion von Verbrennern für Automobile entbehrt allein deshalb jeglicher Grundlage, weil bereits viel Automobilhersteller schon Zeitpunkte, beginnend ab 2026, für die entsprechenden Produktionseinstellungen abgegeben haben.

Es muss einfach festgestellt werden, dass die Wirkungsgrade von Verbrennern zu Elektromobilen so weit auseinanderliegen, dass von heute etwa 45 Mio. PKW bis zum Jahr 2045 rd. 90% aller PKW einen Elektroantrieb haben werden. Selbst an synthetischen und erneuerbaren Kraftstoffen müsste die doppelte Menge zur Verfügung gestellt werden, um so klimaneutral wie der Elektroantrieb mit erneuerbarem Strom sein zu können.

Synthetische Kraftstoffe sind prädestiniert für den Flugverkehr und für viele Anwendungen im Güterverkehr.

Was den Ausbau der Ladeinfrastruktur betrifft, müssen die Stromnetzbetreiber, unter aktiver Hilfestellung der Bundesnetzagentur (BNetzA) sehr stark in die Stromnetzinfrastruktur investieren, damit die Geschwindigkeit der Elektrifizierung mit der Durchdringung von Elektrofahrzeugen mithalten kann.

  1. Investitionen und Finanzierung der Energiewende

Wir hatten bereits dargestellt, dass die nächsten 2 Jahrzehnten weltweit etwa 20 Billionen Dollar investiert werden. Nach unseren Hochrechnungen werden dies in Deutschland in den nächsten 20 Jahren etwa 2,5 Billionen Euro an Investitionen für die Energiewende sein bzw. jährlich etwa 100 bis 150 Mrd. Euro. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von z.Z. etwa 2,2 Billionen Euro, das bis zum Jahr 2050 auf etwa 7,2 Billionen Euro ansteigen wird, ist dieser Kraftakt volkswirtschaftlich gut zu bewältigen.

Mit dieser Energiewende zu einem klimaneutralen Deutschland werden auch mindestens 500.000 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen.

Die laufenden Kosten für Energie werden sich natürlich deutlich erhöhen, aber im Zusammenhang mit auch hohen Produktivitätszuwächsen sind in der Regel keine Verwerfungen bei den Energie-Produktpreisen zu erwarten.

Eines dürfte abschließend klar sein: Wenn nicht national und international schnell gehandelt wird, dürfte die auftretenden Schäden ein Vielfaches der angesprochenen Investitionen ausmachen.

Spätestens nach der Bundestagswahl 2021 sollte die neue Regierung ein mittelfristiges Programm zur Erreichung der vorgenannten Ziele in Angriff nehmen und dabei viele alten Gepflogenheiten über Bord werfen.

Die Umweltbewegungen in Deutschland und der Einfluss auf die deutsche Politik

 

Die Umweltbewegungen

Die nachhaltige Förderung der Politik für die Kernenergie, die Beeinträchtigung der Bevölkerung durch massive Verschlechterung der Luftqualität, die starke Erhöhung der Ölpreise, die Zersiedelung der Landschaften und die Krisen der Müllwirtschaft führten in den 70er Jahren zur Gründung folgender wesentlicher Umweltverbände und Institute:

  1. Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Der BBU als Dachverband der Bürgerinitiativen im Umweltschutzbereich wurde am 24. Juni 1972 gegründet. Die wesentlichen Schwerpunkte waren. Atomausstieg, Förderung regenerativer Energien und eine nachhaltige Verkehrspolitik.

  1. Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)

Der BUND wurde am 20. Juli 1975 gegründet. Arbeitsschwerpunkte waren der Naturschutz und die Verhinderung der Atomenergie.

  1. Greenpeace e.V.

Die Greenpeace. E.V. mit Sitz in Hamburg wurde am 1.11. 1980 gegründet. Als Umweltschutzorganisation hat sie ein breites Spektrum mit dem Schutz der Meere und der Wälder sowie den Klimaschutz und die Förderung zur Energiewende.

  1. Eurosolar e.V.

Die Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien e.V. (Eurosolar) wurde am 22.8. 1988 gegründet. Der Verein mit Sitz in Bonn, der das Ziel hat, fossile und nukleare Energien durch erneuerbare Energien zu ersetzen, hat in Europa in 13 Ländern Sektionen. Der ehemalige Gründer und Präsident von Eurosolar Dr. Hermann Scheer verstarb am 14.10 2010

  1. Öko-Institut e.V.

Das Öko-Institut wurde 1977 gegründet und arbeitet an den Standorten Freiburg, Darmstadt und Berlin mit etwa 170 beschäftigten. Das Institut erarbeitet Grundlagen und Strategien für eine nachhaltige Entwicklung.

  1. Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie gGmbH

Das Wuppertal Institut wurde 1991 gegründet und erarbeitet Strategien und Studien z.B. über den Umbau des Energiesystems, Kreislaufwirtschaft und nachhaltige Städte

  1. Elektrizitätswerke Schönau e.G.

Bedingt durch die Atomkatastrophe von Tschernobyl im Jahr 1986 gründet sich in Schönau im Schwarzwald eine Bürgerinitiative mit den Gründern Ursula und Dr. Michael Sladek. Bereits im Jahr 1994 werden die Elektrizitätswerke Schönau gegründet deren einziger Gesellschafter die Netzkauf Schönau GbR war, mit insgesamt 650 Bürgern. Seit dem Jahr 2009 ist EWS e.G. eine eingetragene Genossenschaft. Nachdem das Stromnetz in Schönau übernommen wurde ist die EWS heute einer der größten Ökostromanbieter in Deutschland.

Die Gründung von Bündnis 90/Die Grünen

Auf Grund der Umwelt- und sozialen Bewegung der 70er Jahre wurde die „Grüne Partei“ am 13. Januar 1980 in Karlsruhe als Partei gegründet. In Ostdeutschland schlossen sich 1990 die Gruppierungen der Bürgerrechtsbewegung zum Bündnis 90 zusammen. Die Grünen und das Bündnis 90 schlossen sich 1993 zur gemeinsamen Partei Bündnis 90/Die Grünen zusammen.

Der Einfluss auf die Bundespolitik in Deutschland

Am 17. September 1987 zerbrach die sozialliberale Koalition. Die Friedens- und Umweltbewegung waren inzwischen Massenbewegungen geworden. Diese Entwicklung hat sich zunehmend auch in den Ergebnissen der Bundestagswahlen gezeigt.

Nach der Bundestagwahl 1998 bildete Bündnis 90/Die Grünen zusammen mit der SPD die erste rot-grüne Koalition. In dieser Regierungszeit mit Bundeskanzler Gerhard Schröder hat die SPD letztmalig ein Bundestagswahlergebnis von mehr als 40% der Zweitstimmen erhalten (siehe nachfolgende Grafik). In dieser Zeit besetzte die SPD die Mitte und speiste sich nur in geringem Umfang aus dem linken Spektrum. Dies übernahmen die Grünen und später in zunehmendem Umfang die Partei „Die Linke“.

Aus der nachfolgenden Grafik mit der Zusammenfassung der Zweitstimmen bei den Bundestagswahlen seit dem Jahr 1961 wird deutlich, wie alternative und linke Parteien, eine neue Richtung in der Umweltpolitik, aber auch Ablehnung sich entwickelte, z.B. durch die Alternative für Deutschland (AfD) die tendenziell eher die Klimafragen negieren bzw. diese Fragen relativieren.

Zweitstimmenergebnisse bei Bundestagswahlen ab dem Jahr 1961

Jahr CDU/CSU SPD FDP Grüne Linke AfD
1961 45,3% 36,2% 12,8%
1965 47,6% 39,3% 9,5%
1969 46,1% 42,7% 5,8%
1972 44,9% 45,8% 8,4%
1976 48,6% 42,6% 7,9%
1980 44,5% 42,9% 10,6% 1,5%
1983 48,8% 38,2% 7,0% 5,6%
1987 44,3% 37,0% 9,1% 8,3%
1990 43,8% 33,5% 11,0% 5,0% 2,4%
1994 41,5% 36,4% 6,9% 7,3% 4,4%
1998 35,2% 40,9% 6,2% 6,7% 5,1%
2002 38,5% 38,5% 7,4% 8,6% 4,0%
2005 35,2% 34,2% 9,8% 8,1% 8,7%
2009 33,8% 23,0% 14,6% 10,7% 11,9%
2013 41,5% 25,7% 4,8% 8,4% 8,6%
2017 32,9% 20,5% 10,7% 8,9% 9,2% 12,6%
2021 24,1% 25,7% 11,5% 14,8% 4,9% 10,3%

Quelle: Deutscher Bundestag

Die Bundestagswahl 2021 in Deutschland

In der nachfolgenden Grafik wurden die wesentlichen Programmpunkte der politischen Parteien in Deutschland gegenübergestellt. Die großen demokratischen Parteien in Deutschland bekennen sich darin zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommen und damit zur Klimaneutralität bis Jahr 2042. Auch die Zwischenschritte bis zum Jahr 2030 und 2040 werden von diesen Parteien geteilt. Damit zeichnet sich ab, unabhängig von den möglichen Koalitionen, dass es einen weitgehenden Konsens in Deutschland gibt, die vorgenannten Ziele auch erreichen zu wollen.